Die Kati aus Leipzig: Klassenfahrt

13.05.2023 10:56
#1
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In der 6. Klasse war ihr klar,
dass sie Französisch als Profil wählt,
da in Klasse 9 die Klassenfahrt,
falls möglich, nach Paris geht.

Nur falls es keine Mehrheit gäbe,
gänge die Fahrt nach Moskau.
"Ich war die ganze Zeit am Beten,
obwohl ich sonst gar nicht an Gott glaub".

Französisch wurde ihr Lieblingsfach,
es war voller Abwechslung.
"Wie wir ´La Boum´schauten und Lieder sang´n,
wo ich mal heulen, mal tanzen konnt´".

Dann endlich die Fahrt nach Paris,
die Stadt mit dem Eiffelturm.
Sie schwor sich: "Jawoll, dort passiert´s! -
Ich mach ´nen geilen Wurf!".

Die anderen Mädels standen Schlange
wegen der Mona Lisa,
doch für sie war das nicht von Belangen,
ihr war ihre Dose Cola lieber,
mit der sie auf einer Bank saß
und sie mit Genuss schlürfte,
bis sie plötzlich ein Ball traf
und am linken Fuß schürfte.

"Pardon, Ma Belle, Je regrette!",
kam ein Junge auf sie zu.
"Alors, pour toi, ces cigarettes..."
und weg war er im Nu.

"Die schenke ich den anderen
ich selber rauch ja nicht!
Aber es kann ja net schaden,
wenn ich mal daran riech´!".

Sie öffnete ihre Schachtel Kippen,
war von dem Duft betört.
"Ich steck mir eine zwischen die Lippen,
so wie das gehört!".

Und plötzlich, vollkommen unerwartet
stand vor ihr ein junger Mann,
mit einem Feuerzeug bewaffnet
und steckte ihr die Fluppe an.

Eigentlich wollte sie "Merci" sagen,
doch sie war überwältigt.
Sie wollt´s im Traume nie wagen,
dass sie nun Teil der Welt ist,
die sich um solche Dinge schert
wie Rauchen, Stylen, Frisieren,
wie man so manchen Jungen betört,
ihr wurde Angst sie schreibt nur noch Dreien und Vieren.

"Doch dazu ist es nicht gekomm´n",
sagt Kati, heute Anfang 30,
mit einem Kippchen auf ihrem Balkon
am äuß´ren Rand von Leipzig.


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