Miriam und Sabine

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09.01.2024 09:29
#16
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Ein sehr schöner neuer Teil


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13.01.2024 16:12
#17
de

Die beiden verabschiedeten sich von den anderen und bummelten los. Jakob führte Miriam zielsicher zu Schaufenstern, in denen knappe Kleider, figurbetonte Oberteile und hochhackige Schuhe zu sehen waren. Die Auslage von Geschäften, die "Öko-Latschen" und alternativ-legere Kleidung feilboten, konnte Miriam deshalb nur aus den Augenwinkeln betrachten. "Das Café da drüben sieht nett aus", sagte sie wenig später. "Wollen wir da noch einen Kaffee trinken oder so? Ich glaub, ich brauch mal ne Pause ..." Jakob war sofort einverstanden, so saßen sie wenig später an einem der Tische vor dem Café. Nachdem die Bedienung die Bestellung aufgenommen und einen Aschenbecher gebracht hatte, legte Jakob seine Zigaretten auf den Tisch und nahm eine aus der Schachtel. Bevor er sie anzündete, schaute er Miriam fragend an. Die hatte nicht wirklich Lust zu rauchen und schüttelte den Kopf.

Stattdessen zog sie ihre Pumps aus, um ihren Füßen etwas Erholung zu gönnen. "Geht es noch?", erkundigte sich Jakob besorgt. "Gib mir ein paar Minuten Pause", antwortete Miriam. Als die Getränke gebracht wurden, ließen die beiden sich sehr viel Zeit dafür. Bevor Jakob bezahlte, gönnten sich beide noch eine Zigarette und brachen schließlich auf.

"Das war ein wunderschöner Tag mit Dir", sagte Jakob, als die beiden ihren Bummel Hand in Hand fortsetzten. "Von mir aus kann er noch lange weitergehen", stimmte Miriam ihm zu und schenkte ihm einmal mehr ein bezauberndes Lächeln. "Da hätte ich auch nichts gegen, hast Du mir Deine Nummer eigentlich schon gegeben? Ich muss leider heute noch nach Stuttgart fahren, da habe ich morgen einen Kundentermin", fuhr Jakob fort. "Wie ist das bei Dir so?"

"Ich arbeite von Montag bis Samstag", erklärte Miriam ihm. "Abends hab ich keine fixen Termine, mit Sabine treffe ich mich halt öfters. Wenn Du magst ..." "Unbedingt", nickte Jakob. "Dienstag bin ich spät zurück, Mittwoch abend?" "Gegen 19.00 im Biergarten?", schlug Miriam vor. "Da kann ich direkt von der Arbeit hin." "Einverstanden", freute sich Jakob. "Aber was machen wir jetzt? Ich könnte Dich nach Hause fahren ..." "Oder?", hörte Miriam sich keck fragen. "Oder ... oder ...",sinnierte Jakob. "Oder wir fahren nochmal zu mir. Dann packe ich meine Sachen und setz Dich auf dem Weg nach Stuttgart am Bahnhof ab." "Gute Idee", befand Miriam. "In welche Richtung müssen wir?"

(Fortsetzung folgt)


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16.01.2024 17:43
#18
de

Wenig später standen die beiden einmal mehr rauchend auf dem Balkon. Wie in der Nacht zuvor trug Miriam Jakobs T-Shirt, auf die Pumps hatte sie dieses Mal verzichtet. Überglücklich strahlte sie ihn an. "Danke", hauchte sie. "Ich freu' mich schon jetzt auf Mittwoch."

"Ich freue mich auch auf Mittwoch", sagte Jakob, als er Miriam am Bahnhof absetzte und sich von ihr verabschiedete. Sie stieg aus dem Auto, stöckelte zur Fahrertür und küsste ihn durch das geöffnete Seitenfenster. "Gute Fahrt, pass auf Dich auf und komm heil zurück", gab sie ihm mit auf den Weg, winkte zum Abschied und sah dem Auto noch ein wenig hinterher.

Schließlich machte Miriam sich - nach wie vor ohne Unterwäsche - auf den Weg ins Bahnhofsgebäude und weiter zum Bahnsteig, laut Plan sollte der nächste Zug in wenigen Minuten abfahren. Doch als Miriam am Bahnsteig stand, hatte der Zug schon zwanzig Minuten Verpätung. "Wie blöd ist das denn", ärgerte sie sich und suchte vergeblich nach einem Sitzplatz: Viele Leute hatten sich bei dem schönen Wetter auf den Weg gemacht und warteten jetzt auf den Zug, so dass alle Bänke belegt waren. "Das kann ja heiter werden", befürchtete Miriam, denn nach der langen Zeit in den hohen Schuhen meldeten sich ihre Waden wieder.

"Zug fällt heute aus", verkündete die Anzeigetafel kurz darauf. Zusammen mit den anderen Passagieren würde Miriam also noch eine gute Stunde auf die nächste Verbindung warten müssen; immerhin würde auch der nächste von diesem Bahnsteig abfahren. Die junge Frau stöckelte den Bahnsteig entlang, denn Laufen ging besser als stehen. "Verehrte Fahrgäste! Bitte beachten Sie, dass das Rauchen nur in den ausgewiesenen Raucherbereichen erlaubt ist", schallte es derweil aus den Lautsprechern. Erst jetzt fielen Miriam die großen gelben Quadrate am Boden auf; sie verstand plötzlich, warum sich darin Menschen tummelten und um einen kleinen Stehtisch drängten.

Dass Jakob rauchte und sie selbst fleißig mitgeraucht hatte, waren in der Tat der einzige Wermutstropfen dieses Wochenendes. "Ich bin und bleibe Nichtraucherin", bekräftigte Miriam. Sie musste zugeben, dass Jakobs Küsse trotz der Zigaretten gut geschmeckt hatten. "Hoffentlich ist das auch so, wenn ich nicht rauche", dachte sie weiter und nahm sich vor, am Abend noch mit Sabine zu telefonieren.

Verstohlen riskierte Miriam auf ihrer Wanderschaft immer wieder einen Blick zu den Rauchern. Menschen aller Altersgruppen und in den unterschiedlichsten Outfits drängten sich in Trauben um die Stehtische, bliesen den Rauch in die Luft und schienen ihre Zigaretten zu genießen. Hin und her gerissen holte sie schließlich doch ihre Schachtel aus der Handtasche und warf einen Blick hinein. "Was, nur noch so wenige übrig?", staunte Miriam. "So viel habe ich doch gar nicht geraucht ..." Nach dieser Erkenntnis blieb sie standhaft und war froh, als der Zug endlich einfuhr.

Auch im Zug konnte Miriam keinen Sitzplatz ergattern und musste die Fahrt über stehen, was ihr keinen Spaß machte. "Hoffentlich muss ich nicht so lange auf einen Bus warten", dachte sie, während sie vom Bahnsteig zur Haltestelle stöckelte. "Mist, mit vernünftigen Schuhen hätte ich den noch bekommen", ärgerte Miriam sich, als sie kurz darauf auf den Fahrplan schaute und feststellen musste, dass sie den Bus um zwei Minuten verpasst hatte. Immerhin war eine Bank frei und die junge Frau allein auf weiter Flur, also setzte sie sich hin und streifte ihre Schuhe ab. "Das tut gut", atmete Miriam erleichtert auf.

(Fortzsetzung folgt)


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22.01.2024 17:29
#19
de

Wenig später gesellte sich eine junge Frau in ihrem Alter dazu. Sie war gleich mit zwei Rucksäcken bepackt und deutlich legerer angezogen als Miriam. "Ein Königreich für meine Birkenstocks", dachte Miriam, als sie die Zehentrenner an den Füßen der anderen Frau bemerkte. Der schien das Gewicht ihres Rucksacks nichts auszumachen, denn sie machte keinerlei Anstalten, ihn abzusetzen. Stattdessen musste Miriam sich wenig später ein weiteres Mal in die inzwischen deutlich unbequemen Pumps zwingen; immerhin war im Bus ein Sitzplatz frei.

Sie stöckelte die letzten Meter zu ihrer Wohnung, schloss die Tür auf und zog ihre Schuhe aus. Nach so langer Zeit in hohen Hacken tat es unendlich gut, barfuß herumzulaufen. Miriam stellte ihre Handtasche ab, öffnete die Fenster ihrer Dachgeschosswohnung und machte es sich auf dem Sofa bequem. Verträumt schloss sie die Augen und ließ das Wochenende Revue passieren. Dabei fiel ihr ein, dass sie gar nichts von Sabine wusste. "Wie ist es ihr wohl mit Marek ergangen?", überlegte Miriam. Sie ging zu ihrer Handtasche, schaut auf ihr Handy und bemerkte, dass etliche Nachrichten eingegangen waren, die allermeisten von Sabine.

Kurzentschlossen rief Miriam ihre Freundin an; sie wollte deren Bericht lieber hören als zahllose Nachrichten zu lesen. Tatsächlich ging Sabine ans Telefon und schlug gleich vor, sich im Biergarten zu treffen. "Nimm's mir nicht übel, aber ich gehe heute nicht mehr aus dem Haus", entschuldigte sich Miriam. Natürlich musste sie ihrer Freundin trotzdem ausführlichst von der Nacht und dem Sonntag mit Jakob berichten.

"Für ne olle Ökotante warst Du ziemlich lange mit Absätzen unterwegs, dann will ich mal nicht so sein", neckte Sabine ihre Freundin und gab sich generös. "Wie viele Zigaretten hat Madame denn noch?", wollte sie als nächstes wissen. "Eine gute Handvoll, schätze ich", antwortete Miriam. "So so", frotzelte Sabine weiter. "Haben wir etwa das Rauchen gekriegt?" "Auf keinen Fall; ich bin und bleibe Nichtraucherin!", protestierte Miriam vehement. "Das haben schon ganz andere gesagt", dachte Sabine und ging nicht weiter auf das Thema ein. Sie erzählte, dass Marek sie nach Hause begleitet und die beiden sich am Sonntag zum Minigolfen getroffen hatten. "Wo kommen wir denn hin, wenn alle gleich so zur Sache gehen wie Du?", zog Sabine ihre Freundin noch ein wenig auf. Miriam wurde tatsächlich am Telefon rot und sagte erstmal nichts mehr. "Gehst Du jetzt öfter als Tussi auf die Piste?", wollte Sabine zum Schluss wissen. "Keine Ahnung", gab Miriam zu. "Ich war so anders drauf als sonst und es war toll, aber irgendwie war ich nicht ich ..." Die beiden plauderten noch ein wenig und verabredeten sich für den übernächsten Abend im Biergarten - Miriam rechnete fest damit, nach dem nächsten Arbeitstag todmüde zu sein.

Wie jeden Sonntag schaltete sie schließlich den Fernseher ein und schaute ihre Lieblingsserie. Erst dabei fiel ihr auf, dass sie immer noch die Brille trug. Miriam setzte sie ab - und direkt wieder auf. "Krass, wie viel deutlicher das Bild mit Brille ist", staunte sie, ging nach dem Fernsehen duschen und dann ins Bett.


Am nächsten Morgen verspürte Miriam ein leichtes Kratzen im Hals, was aber nach dem ersten Husten verschwand. Froh, wieder ihre weit geschnittenen und luftigen Klamotten tragen zu können, zog sie sich an, schlüpfte in ihre Birkenstocksandalen und schwang sich auf ihr Fahrrad, um zur Arbeit zu fahren. Brille und Zigaretten blieben zu Hause.

Der kleine Buchladen in der Altstadt lebte hauptsächlich von treuen Stammkunden, die die gute Beratung schätzten - zusammen waren Miriam und ihre Chefin fast unschlagbar, wenn es um den Büchermarkt ging. Außerdem verirrten sich immer wieder Touristen ins Geschäft, um Postkarten - mit Briefmarke - zu kaufen. Zwischendurch blieb Miriam durchaus Zeit, sich über neue Bücher zu informieren. Wenn es um Kinderbücher ging, tat sie das besonders gern. Hier machte ihr niemand etwas vor und sie war durchaus stolz auf darauf, dass die angesagten Titel trotz des kleinen Ladens eigentlich immer vorrätig waren.

Beim Stöbern in den Neuerscheinungen merkte Miriam, dass sie sich nicht so gut konzentrieren konnte wie sonst. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab und drehten sich um das vergangene Wochenende. "Ob es für Jakob ein Problem ist, dass ich eine Ökotante bin?", grübelte Miriam und fragte sich als nächstes, wie schlimm das für sie wäre.

Anders als sonst nutzte Miriam ihre Mittagspause für einen Spaziergang, sie brauchte frische Luft. "Gut, dass ich auf Arbeit bequeme Schuhe tragen kann", dachte sie schon wieder an das Wochenende zurück. "Wie hält Sabine das bloß aus, ständig mit hohen Hacken herumzulaufen? Ob sie doch heute abend Zeit hat?" Kurzentschlossen schrieb Miriam ihrer Freundin eine Nachricht und machte sich auf den Rückweg.

Als sie die Ladentür öffnete, schaute sie noch einmal um. Dabei nahm sie den Tabakladen gegenüber zum ersten Mal bewusst wahr. "Was steht da unter dem Firmennamen?", fragte Miriam sich, weil sie das selbst mit zusammengekniffenen Augen nicht lesen konnte. "Ob das mit Brille besser geht?" Sie beschloss, das bei Gelegenheit mal zu testen. Sabine hatte bis zum Feierabend noch nicht geantwortet, deshalb radelte Miriam nach der Arbeit nach Hause. Sie machte es sich auf dem Sofa bequem und schaltete den Fernseher ein. "Sind meine Augen plötzlich so schlecht geworden?", wunderte sie sich, als auch die Schlagzeilen der Nachrichten ein wenig verschwommen waren. Sie ging zum Schrank und holte ihre Brille; dabei fiel der Blick unweigerlich auf die Zigarettenschachtel.

Kaum saß Miriam - mit Brille - vor dem Fernseher und stellte fest, wie gestochen scharf und kontrastreich das Bild plötzlich war, klingelte ihr Handy. Sabine war dran und hatte nichts dagegen, sich noch im Biergarten zu treffen. "Sehr schön, ich radel gleich los", freute Miriam sich. Sie schaltete den Fernseher aus, schlüpfte wieder in ihre Birkenstocks und machte sich auf den Weg.


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24.01.2024 21:08
#20
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Manche Geschichten liest man wie eine Gute Nacht, eben weil sie toll sind und den ganzen Tag hinter sich lassen.

Wirken enspanned und man nimmt doch noch etwas mit sich im Gedanken mit. Zum schwärmen oder Träumen.


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24.01.2024 21:50
avatar  Chris
#21
Ch

Tolle Fortsetzung, spannende Geschichte. Ich hoffe auf viele weitere Teile!


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26.01.2024 14:15
#22
de

Sabine war direkt nach der Arbeit zum Biergarten gefahren und winkte ihrer Freundin zu. Miriam strahlte und setzte sich dazu. Natürlich gab es nur ein Thema - den Tussi-Abend und seine Folgen. "Ist das mit Jakob mehr als ein One-Night-Stand?", fragte Sabine ganz direkt. Dabei konnte sie selbst kaum glaube, diesen Begriff mal in Verbindung mit ihrer Freundin zu verwenden, die sie bis dato für den Inbegriff einer grundsoliden und reflektierten Frau gehalten hatte. Auch Miriam errötete, als sie über die Frage nachdachte. "Ich ... ich ... ich glaub schon", erwiderte sie, erzählte vom Sonntagnachmittag und dem geplanten Treffen am Mittwoch. "Er kommt morgen abend erst spät von seiner Dienstreise zurück", ergänzte Miriam und bemerkte die Schmetterlinge im Bauch.

"Meinst Du, er mag mich auch als - wie hast Du es genannt? - Öktotante?", sprach sie ihre Unsicherheit nach einer kleinen Pause aus. "Wenn nicht, ist er es nicht wert", gab Sabine zurück. "In dem Tussi-Outfit warst Du ehrlich gesagt ein verdammt heißer Feger", fügte sie hinzu. "Aber ich bin nun mal keine Tussi und will mich nicht ständig verkleiden", antwortete Miriam sichtlich nachdenklich. "Aussehen ist außerdem nicht alles."

"Das Auge ist aber dummerweise mit", entgegnete Sabine und holte ihre Zigaretten aus der Handtasche. Wie auch am Samstag hatte sie die langen, dünnen "Nuttenstengel" dabei und bot auch ihrer Freundin einen an. "Danke, ich rauche nicht", lehnte Miriam höflich, aber bestimmt ab. "Das sah am Samstag ganz anders aus", gab Sabine grinsend zurück.

"Da hast Du mich auch schön reingeritten", fauchte Miriam mit nur teilweise gespieltem Zorn. "Was hat Dich da eigentlich getrieben?"

"Ich bin ja zurück ins Kino und hab an der Kasse gefragt, ob ich nach meinem Handy suchen darf", holte Sabine aus. "Das wurde aber schon an der Kasse abgegeben, deshalb habe ich es direkt zurückbekommen und bin zum Haupteingang raus. Da standen dann Marek und Jakob. Marek kenne ich von einem Seminar, er ist Leiter in einer anderen Filiale. Wir haben ein wenig geplaudert. Als die beiden sich dann eine angesteckt haben, habe ich mitgemacht und total vergessen, dass ich noch eine Zigarette bei Dir geparkt hatte. War doch am Ende ganz gut so, oder?" Bei diesen Worten nahm Sabine einen tiefen Zug, inhalierte den Rauch und blies ihn nach einer geraumen Weile wieder aus. Amüsiert stellte sie fest, dass ihre Freundin das genauestens beobachtete. "Willst Du wenigstens einmal ziehen?", erneuerte sie ihr Angebot. "So als Erinnerung an die Zigarette danach?"

Miriam blieb standhaft und wechselte das Thema. "Wie hältst Du das eigentlich aus, mit hohen Hacken zu arbeiten?", fragte sie ihre Freundin. "Was war ich froh, als ich die Folterinstrumente am Sonntag ausziehen konnte. Der Tag heute in den Birkis waren eine wahre Erholung für meine Füße ..." "Echt jetzt?", gab Sabine ungläubig zurück. "Das ist eine reine Übungssache, schätze ich. Seit ich diese High Heels für Ökotanten hier entdeckt habe, trage ich eigentlich nur noch Schuhe mit Absatz. Weiß gar nicht, ob ich noch mit flachen Schuhen zurechtkomme. Darf ich das mal probieren?", schlug sie vor und nahm einen weiteren Zug. "Na klar", stimmte Miriam zu und streifte ihre geliebten Zehentrenner ab.

Auch Sabine zog ihre Schuhe aus und schob sie der Freundin hin. Miriam war einigermaßen überrascht, als die Holzsandalen mit hohem Absatz vor ihren Füßen lagen. "Das geht eigentlich voll", stellte Sabine fest, nachdem sie in die Sandalen geschlüpft war. "Stört das Ding zwischen den Zehen auf Dauer nicht?"

"Kein Stück", antwortete Miriam. "Wenn Du erstmal ein paar Tage damit herumgelaufen bist, willst Du die nicht mehr ausziehen." "Genau wie bei meinen Schuhen", gab Sabine lachend zurück. "Deal? So bis Donnerstag?" "Für die Arbeit finde ich zu Hause was anderes", überlegte Miriam und nickte zaghaft.

Die beiden leerten ihre Weingläser - dieses Mal ohne Spuren von Lippenstift, wie Miriam belustigt feststellte - und beschlossen, noch ein paar Meter zu gehen. "Allzu alt werde ich heute aber nicht mehr", kündigte Sabine einen baldigen Aufbruch an. "Marek und ich sind am Samstag irgendwie auch nicht so wirklich zum Schlafen gekommen ..."

Beim Bummel durch die Fußgängerzone erzählte Sabine vom Picknick mit Marek am Sonntag und dass die beiden sich ausnehmen gut verstanden. Miriam hörte ihrer Freundin gebannt zu und freute sich mit ihr; wegen der hohen Sandalen musste sie sich beim Laufen mehr konzentrieren als sonst. "Besser als die Pumps sind sie allemal", dachte sie dabei. "Und sie passen definitiv zum meinem Ökotanten-Outfit", fügte sie hinzu, als sie sich im Spiegelbild eines Schaufensters betrachtete. Einzig das Klappern der Holzsohlen beim Laufen störten Miriam ein wenig, bewegte sie sich doch am liebsten unauffällig im Hintergrund.

"Eine rauche ich noch, dann düse ich los", verkündete Sabine schließlich. "Letzte Chance, Miriam", ließ sie nicht locker und wedelte mit der Schachtel. Die angesprochene verspürte keinerlei Lust zu rauchen und schüttelte erneut den Kopf. Sabine steckte ihre Zigarette an, während ihre Freundin ihre Spiegelbilder im Schaufenster betrachtete. "Ich wüsste ja schon gern, wie das in dem Outfit bei mir aussieht", musste sie sich eingestehen. "Einmal ziehen würde ich schon", sagte Miriam schließlich, was Sabine ein triumphales Lächeln entlockte. Sie hielt ihrer Freundin die Zigarette hin und wartete ab, wie die reagieren würde.

Miriam nahm sich viel Zeit und führte die Zigarette in Zeitlupe zum Mund, dabei beobachtete sie ihr Spiegelbild genau. Vorsichtig zog sie kurz am Glimmstengel, peinlich darauf bedacht, möglichst wenig Rauch einzuatmen. Miriam nahm die Zigarette wieder aus dem Mund und übergab sie ihrer Freundin, während sie auch den Rauch ausblies. "Und?", fragte Sabine gespannt. "Lust auf mehr? Steht Dir jedenfalls auch als Ökotante ..."

"Sieht nicht hässlicher aus als am Wochenende", musste auch Miriam zugeben, verzichtete aber auf einen weiteren Zug. Die beiden Freundinnen gingen zurück zum Biergarten und verabschiedeten sich. "Bis Donnerstag", erinnerte Sabine. "Ich bin gespannt, wie es mir ergeht und was Du sagst. Vielleicht werd ich auf meine alten Tage noch zum Birkenstock-Monster ..." "Oder ich entdecke meine Liebe zu Klapperlatschen mit Absatz", ergänzte Miriam lachend, stieg auf ihr Fahrrad und radelte nach Hause. Dort erst fiel ihr erst beim Zähneputzen auf, dass sie immer noch ihre Brille trug. "Ich hab alles scharf gesehen und wirklich darauf angesprochen wurde ich auch nicht", resümierte sie, legte das Nasenfahrrad auf den Nachttisch und sich schlafen.


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30.01.2024 06:38
avatar  Chris
#23
Ch

Schöne Fortsetzung, freue mich auf mehr!


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01.02.2024 23:26
avatar  mncmnd
#24
mn

Tolle Geschichte, bin gespannt, wie es weitergeht!


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05.02.2024 11:41
#25
de

Am nächsten Morgen verschlief Miriam ihren Wecker und hatte es eilig, zur Arbeit zu kommen. Sie zog einen Rock und ein passendes Oberteil aus dem Kleiderschrank, zog sich an und band sich die schulterlangen, braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Als Miriam aus dem Schlafzimmer stürmte, entdeckte sie ihre Brille und steckte sie ein. "Jetzt muss ich mich echt sputen", stelle die junge Frau fest, als sie auf die Uhr schaute. "Ausgerechnet an einem Dienstag muss mir das passieren", ärgerte sie sich, denn da war sie vormittags allein im Laden. Weil die Holzsandalen noch an der Wohnungstür standen, stieg Miriam kurzerhand hinein. "Wenn alle Stricke reißen, hole ich mir in der Mittagspause andere Schuhe", beschloss sie, klapperte durch Treppenhaus nach unten und schwang sich auf ihr Fahrrad.

Eine Minute vor Ladenöffnung öffnete Miriam die Tür der Buchhandlung und machte sich daran, die Rollwagen mit den Ansichtskarten nach draußen zu schieben. Anschließend startete sie das Kassensystem und holte sie ihr Handy aus der Handtasche. Dabei fiel ihr auf, dass einige Nachrichten eingegangen waren. "Später", beschloss Miriam und legte das Gerät neben die Kasse. Begleitet vom Klack-Klack ihrer Absätze lief sie schließlich zum kleinen Lager und schaltete die Beleuchtung ein. "Okay, anschleichen wird heute eher schwierig", stellte sie eher belustigt fest.

Wie jeden Morgen dauerte es nicht lange, bis die bestellte Ware angeliefert wurde. Routiniert nahm Miriam die Sendungen entgegen und sortierte die Bücher, um sie später einräumen zu können. Dabei bemerkte sie aus den Augenwinkeln, dass sich einer der Paketboten direkt vor dem Laden eine Zigarette angezündet hatte und gierig daran zog. "Suchtbolzen", dachte sie einigermaßen verächtlich und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Nachdem die fürs Erste erledigt war, gönnte die junge Frau sich schließlich einen kurzen Moment, ihre Nachrichten zu prüfen. Ihr Herz machte einen Sprung, weil Jakob sich nach seinem langen Arbeitstag noch einmal gemeldet hatte: "Bin gut angekommen, war ein langer Tag. Freue mich riesig auf Mittwoch, J", gefolgt von einigen Bildern und einem letzten Text von Jakob: "Ein Städtetrip mit Dir würde mir deutlich besser gefallen ;-)"

Mit verklärtem Blick las sie auch die letzte neue Nachricht. Die kam von ihrer Chefin, die sich krank meldete. "Also keine Mittagspause heute", resümierte Miriam und hoffte, dass sie im Laden wenigstens Zutaten für ein Müsli finden würde - Einkaufen stand nach Feierabend auf dem Programm. Als sie anfangen wollte, die neuen Bücher in die Regale zu stellen, betrat der erste Kunde den Laden, um eine Bestellung abzuholen.

Miriam klapperte los, um das Buch zu holen. In der Zwischenzeit waren zwei Touristen einer Reisegruppe ins Geschäft gekommen und wollten Postkarten kaufen. Nach und nach fanden auch die anderen Mitglieder der Gruppe Ansichtskarten und kauften diese. So war Miriam gut beschäftigt und kam nicht wirklich dazu, die Ware einzuräumen. Wie so oft am Dienstag wurde sie häufig unterbrochen, weil Kunden zu bedienen waren. Diese Abwechslung gefiel ihr, weil sie sich immer freute, wenn sie ihre Kunden mit Lesestoff versorgen konnte. Heute schien die Lauferei ins Lager kein Ende zu nehmen; das Ziehen in Miriams Waden wurde unaufhörlich stärker.

Um sich ein wenig Linderung zu verschaffen, zog sie ihre Schuhe aus, sobald sie hinter dem Tresen stand und zum Beispiel kassierte. Die Kunden wunderten sich zwar, dass ihre Buchhändlerin vor jedem Gang ins Lager um knapp zehn Zentimeter wuchs, enthielten sich aber eines Kommentars. Zur Mittagszeit wurde es glücklicherweise etwas ruhiger, so dass Miriam an eine kurze Pause denken konnte. Als sie ihr Handy mit nach hinten nehmen wollte, fiel ihr Blick auf die Brille. "Erst was essen, dann frische Luft schnappen", beschloss sie, nahm ihr Handy und klapperte in Richtung Lager, um sich ein Müsli zuzubereiten.

Es tat gut, ein paar Minuten zu sitzen und die Füße zu entspannen. Weil sie allein war, musste Miriam dennoch ständig aufpassen, ob Kundschaft den Laden betrat. Schnell schrieb sie Jakob zurück, wie sehr sie sich auf den gemeinsamen Abend und einen Städtetrip mit ihm freute. "Solange keiner kommt, kann ich mir ein paar Minuten vor der Tür gönnen", entschied Miriam, nachdem das Müsli verspeist und der gröbste Hunger gestillt war. Sie zog ihre Schuhe wieder an und deponierte das Telefon neben der Kasse. Dabei fiel Miriam ihre Brille ins Auge. Sie erinnerte sich an das Schild des Tabakladens gegenüber, das sie am Vortag nicht entziffern konnte. "Das haben wir gleich", beschloss sie, setzte die Brille auf und trat vor die Ladentür.

Miriam atmete tief ein. Sie liebte den Geruch der Bücher über alles, freute sich aber dennoch, über die frische Luft. Dabei ließ sie ihren Blick schweifen; unweigerlich kam dabei auch das besagte Schild in ihr Blickfeld. "Tabak Zimmermann" war dort in so großen Lettern geschrieben, dass Miriam es auch ohne Brille erkennen konnte. Um die unteren Zeilen aus der Entfernung lesen zu können, brauchte sie ihre Sehhilfe. "Rauchwaren aller Art - Zeitschriften" sowie "Inhaber A. Pfeiffer" stand dort. Dieser krasse Unterschied irritierte die Buchhändlerin.

Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, schob sich ein Kunde an ihr vorbei in den Buchladen. Er schien in Eile zu sein, also folgte Miriam ihm auf dem Fuße und erkundigte sich, wie sie helfen könne. Der Mann wollte unbedingt seinen Zug erwischen, brauchte aber ein Buch als Geburtstagsgeschenk für sein Patenkind. Miriam fragte nach dem Alter des Kindes und ob es Junge oder Mädchen war, dann flitzte sie mit lautem Geklapper in die Ecke mit den Kinderbüchern und holte ihre Favoriten für diese Altersgruppe. "Ich nehme beide", entschied der Kunde, bevor Miriam die Bücher vorstellen konnte. "Bitte entschuldigen Sie die Hektik, packen Sie mir das als Geschenk ein?"

Miriam nickte und zauberte mit geschickten Fingern zwei schöne Präsente. "Das macht dann bitte 25,80", sagte sie und tippte den Betrag in die Kasse. "Das Buch in blauem Geschenkpapier handelt vom Meer, das in grün vom Bauernhof", erklärte sie, während der Kunde seine Karte zückte. "Ich drücke die Daumen, dass sie den Zug noch kriegen." Der Mann bedankte sich für die schnelle Bedienung, verabschiedete sich und rannte los in Richtung Bahnhof. "Fast wie ich heute morgen", dachte Miriam amüsiert und freute sich, dass sie hatte helfen können.

In der Zwischenzeit hatte die nächste Reisegruppe die Postkartenständer entdeckt. Einer nach dem anderen betrat den Laden, um seinen Obolus zu entrichten und eine Briefmarke zu kaufen. Miriam nutze die Gelegenheit und entledigte sich der Holzsandalen. Nachdem auch diese Touristen mit Postkarten versorgt waren, stieg sie wieder in ihre Schuhe und erledigte endlich das Einräumen der Ware.

Im Laufe des Nachmittags beriet Miriam noch einige Kundinnen und Kunden. Dank der hohen Hacken hatte sie Eindruck, sie würde schweben - von Ziehen in den Waden war nach der Pause nichts mehr zu spüren. Zum Abend hin wurde es ruhiger; Miriam fand etwas Zeit, sich mit Neuerscheinungen zu beschäftigen und freute sich, als sie den Laden zum Feierabend abschließen konnte.

Auf dem Heimweg hielt Miriam am Supermarkt, um ihren Wocheneinkauf zu erledigen. Auf einer Plakatwand entdeckte sie Zigarettenwerbung. "1 Herrensalon 25 Haarschnitte 5 Minuten Freiheit", stand auf dem Plakat zu lesen. Nach dem anstrengenden Tag erkannte sie sich in dem Model wieder. "1 Buchladen 25 Abholungen 5 Minuten Freiheit", wandelte sie den Slogan in Gedanken um. "Aber zum Glück bin ich Nichtraucherin", dachte Miriam erleichtert und arbeitete ihre Liste ab. Zusätzlich legte sie noch ein Feuerzeug in den Einkaufswagen - "für den Fall, dass mal einer Feuer braucht", bezahlte und radelte nach Hause.

Als erstes zog Miriam ihre Schuhe aus und war froh, die hohen Hacken erst einmal los zu sein. "Ging besser als gedacht, aber Birkis sind mir glaub ich lieber", bilanzierte sie und ging ins Bad. Als sie das Haargummi entfernte und sich kämmte, bemerkte sie ihre Brille auf der Nase - offensichtlich hatte sie die nach dem "Sehtest" nicht abgesetzt. "Und keiner hat mich darauf angequatscht", stellte Miriam überrascht fest. "Vielleicht sollte ich tatsächlich öfter Brille tragen? Für den Durchblick wäre es wohl besser ..."

Beim Verstauen der Einkäufe fiel Miriam auch das Feuerzeug in die Hände. Dabei fielen ihr der Paketbote, der Tabakladen und die Zigarettenwerbung wieder ein. Sie erinnerte sich auch an den einen Zug, den sie am Vorabend von Sabines Zigarette probiert hatte. "War deutlich angenehmer als damals", dachte Miriam an ihre Schulzeit zurück und legte das Feuerzeug zur Zigarettenschachtel. "Aber wie bringe ich Jakob bloß bei, dass ich nicht rauche?", überlegte sie und fragte sich, wie seine Küsse am nächsten Abend schmecken würden.

Jakob rief wenig später aus dem Auto an, er war auf dem Rückweg von seiner Dienstreise. "Wie war Dein Tag?", fragte er Miriam. Sie erzählte ihm von Kunden, Büchern und Postkarten, dass die Chefin ausgefallen war und sie den Laden allein schmeißen musste. "Hoffentlich ist Deine Chefin morgen wieder fit", erwiderte Jakob. "Nicht dass Du mir morgen abend schon im Biergarten einschläfst", fügte er lachend hinzu. "Dann musst Du aber extrem langweilig geworden sein auf Deiner Dienstreise", warf Miriam ein, auch sie musste lachen. "Ich freu mich auf Dich. Fahr vorsichtig und komm gut an - schön, dass Du angerufen hast ..." "Die Freude ist ganz meinerseits", entgegnete Jakob bewusst sehr förmlich. Er versprach, auf sich aufzupassen und verabschiedete sich.

Miriam schrieb noch kurz mit Sabine und ging dann ins Bett, denn der nächste Tag versprach ereignisreich zu werden.


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12.02.2024 21:12
#26
de

Zum Glück hörte Miriam den Wecker und stand rechtzeitig auf. Frisch geduscht checkte sie ihr Handy. "Tut mir leid, aber ich hab fiese Rückenschmerzen und kann mich immer noch nicht bewegen", schrieb ihre Chefin und bescherte ihrer Angestellten einen weiteren Tag als Alleinunterhalterin. Miriam entschied sich für ein knielanges Sommerkleid und beschloss, die Haare offen zu tragen. "Heute nehme ich mir wenigstens was zu essen mit", dachte sie und schmierte sich einige Brote für die Mittagspause.

"Soll ich oder soll ich nicht?", überlegte Miriam, als sie sich auf den Weg zur Arbeit machen wollte. Nach kurzem Zögern holte sie ihre Brille aus dem Schlafzimmer und setzte sie direkt auf. Außerdem packte sie die Zigarettenschachtel und ihr neues Feuerzeug in die Handtasche. "Oh, voll", stellte Miriam überrascht fest, als sich der Reißverschluss nicht schließen ließ. Schnell entschied sie, das Brillenetui zu Hause zu lassen und stieg wie am Vortag in Sabines hochhackige Holzsandalen. So schnellen es mit diesen Schuhen möglich war, klapperte Miriam durchs Treppenhaus zu ihrem Fahrrad und fuhr zur Arbeit.

Vor ihr lag ein anstrengender Arbeitstag. Die meisten Kunden kamen wegen einer Postkarte, einige holten auch bestellte Bücher ab. Das Einräumen neuer Ware erledigte Miriam zwischendurch, zu ihrer Erleichterung hielt sich zumindest diese Arbeit in Grenzen. Als die Buchhändlerin sich um die Mittagszeit endlich einmal kurz hinsetzen und in ihr Brot beißen wollte, betrat ein Kunde den Laden und benötigte Beratung. Dieses Gespräch zog sich ziemlich in die Länge, verlief am Ende jedoch ergebnislos: Nachdem Miriam ein bestimmtes Buch empfohlen hatte und es bestellen wollte, überlegte es sich der Kunde anders und verließ das Geschäft.

An Sitzen war weiterhin nicht zu denken, weil der Touristenstrom nicht wirklich abriss. Jedes Mal, wenn Miriam nach hinten gelaufen war und sich auf einen Stuhl fallen lassen wollte, kündigte die Klingel einen neuen Kunden an. Irgendwie schaffte sie es dennoch immer wieder, von ihrem Brot abzubeißen.

Auch nachmittags war Miriam schwer beschäftigt und hatte deshalb keine Zeit, sich Gedanken über ihr Date zu machen. Als sie zwischendurch einmal kurz auf ihr Handy schaute, hatte Jakob geschrieben, dass er früher in der Stadt sein würde. "Dann also direkt zum Biergarten", schlussfolgerte Miriam und freute sich sehr auf den Feierabend.

Nach Ladenschluss räumte sie schnell die Postkartenständer zurück, schloss das Geschäft ab, ihr Fahrrad auf und radelte zum Biergarten. Unterwegs bemerkte Miriam, dass sie den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war: Ihre Füße taten weh, deshalb freute sie sich fast noch mehr aufs Sitzen als auf Jakob.

Der wartete schon vor dem Biergarten. "Hallo, meine süße Brillenschlange", begrüßte er Miriam und drückte ihr einen intensiven Kuss auf die Lippen. Dabei schmeckte er so intensiv nach Zigarette, dass ihr fast schlecht wurde. "Wie konnte ich nur?!", fragte Miriam sich entsetzt und dachte ans vergangene Wochenende zurück. Vermutlich hatte sie diesen widerlichen Geschmack nicht bemerkt, weil sie an dem Abend selbst geraucht hatte. "So geht das jedenfalls gar nicht", beschloss sie und stand im nächsten Moment vor dem Dilemma, entweder selbst eine rauchen oder für den Rest des Abends aufs Küssen verzichten zu müssen.

Jakob bemerkte nicht, wie unangenehm der Kuss für Miriam gewesen war. Vielmehr wunderte er sich, dass sie deutlich weniger elegant gekleidet war als beim ersten Kennenlernen. "Was um alles in der Welt hat sie geritten, solche Schuhe anzuziehen?", dachte Jakob, als er die Holzsandalen an ihren Füßen erblickte.

Unter diesen Umständen suchten sich die beiden einen Platz im Biergarten. Während Miriam froh war, endlich sitzen zu können, packte Jakob direkt seine Zigaretten aus, nahm sich eine und bot auch seiner Begleiterin eine an. Die schüttelte den Kopf. "Danke, ich will erstmal nur sitzen", antwortete sie und überlegte fieberhaft, wie sie dieses Treffen schnell hinter sich bringen könnte. Tatsächlich war vom Zauber des letzten Wochenendes nicht mehr viel übrig geblieben. Jakob erzählte großspurig von seiner erfolgreichen Dienstreise und ließ immer wieder durchblicken, dass sich seine Freundin beim Ausgehen gefälligst elegant zu kleiden habe und dabei Absätze mit mindestens acht Zentimetern Pflicht seien.

"Was bin ich froh, dass ich nicht mehr zu Hause war, um mich umzuziehen", dachte Miriam. Gleichzeitig war sie ein wenig traurig über diese Entwicklung, denn die Nacht mit Jakob war sehr schön gewesen. "Warum hab ich bloß so schnell mit ihm geschlafen?", fragte sie sich, während ihr Gegenüber zusehends das Interesse an Miriam verlor und sich lieber seinem Smartphone zuwandte.

So waren beide durchaus damit einverstanden, dass sich ihre Wege nach dem Biergartenbesuch wieder trennten. Entsprechend kühl fiel die Verabschiedung aus, bevor Miriam zu ihrem Fahrrad klapperte und sich auf den Heimweg machte. Zu Hause angekommen, tauschte sich Miriam noch mit Sabine aus, berichtete ihr ausführlich von diesem schrecklichen Date und ließ sich trösten. "Danke, das tat gut", schrieb Miriam zum Schluss. "Bleibt es bei morgen Abend? Dann kriegst Du Deine Schuhe zurück und ich kann mich noch einmal richtig bei Dir ausheulen ..."


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12.02.2024 21:16
#27
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Das nenne ich mal eine sehr interessante Wendung. Aber gefällt mir


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26.02.2024 18:04
#28
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die wendung bringt doch schon etwas sehr schönes mit sich. Bin gespannt wie es weiter geht.


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27.02.2024 10:09
#29
de

Auch am Donnerstag musste Miriam allein zurechtkommen, weil ihre Chefin immer noch Rückenschmerzen plagten. Nach einem entsprechend anstrengenden Arbeitstag fuhr die junge Frau einmal mehr zum Biergarten, dieses Mal würde sie sich mit ihrer Freundin treffen. "Die Schuhe gehen tatsächlich, wenn man ein paar Tage darauf gelaufen ist", bilanzierte Miriam ihre Erfahrungen mit den Holzsandalen, während sie vor dem Biergarten Ausschau nach Sabine hielt.

Nach ein paar Minuten bog auch ihre Freundin um die Ecke und strahlte sie an. Die beiden Frauen begrüßten sich mit einer herzlichen Umarmung und machten sich auf die Suche nach einem geeigneten Platz; wie üblich prüfte Sabine vor dem Hinsetzen die Windrichtung und wählte ihren Platz so, dass der Wind den Rauch von Miriam fernhalten würde.

Natürlich tauschten sich die beiden aus, was sie seit dem letzten Treffen am Montag erlebt hatten. Während Miriam noch einmal vom Vorabend berichtete, bekam Sabine ein schlechtes Gewissen: Sie hatte sich noch einmal mit Marek getroffen und einen wunderschönen Abend verbracht.

"Auch eine?", fragte Sabine, als sie zu ihren Zigaretten griff und sich eine ansteckte. "Nee, lass mal", lehnte Miriam ab. "Der Kuss gestern abend hat mir gereicht", fügte sie hinzu und verzog das Gesicht. "Du Arme", tröstete Sabine ihre Freundin und versuchte, sie auf andere Gedanken zu bringen. "Wie ist es Dir eigentlich auf Arbeit ergangen, so ganz alleine und ohne Chefin?"

"Also Langeweile hatte ich nicht", gab Miriam zurück. "Hat aber ganz gut geklappt, sogar mit den Dingern hier." "Du hast das auch durchgezogen? Hut ab", erwiderte Sabine. "Mich haben die Kolleginnen am Dienstag gefragt, ob ich unter die Studentinnen gegangen bin. Abends war ich dann froh, als ich die Schlappen ausziehen konnte und das Ding zwischen den Zehen los war. Es ging aber tatsächlich jeden Tag besser, da hast Du Recht gehabt", schilderte sie ihr Erfahrungen mit den Schuhen der Freundin und zog dabei einige Male genüsslich an ihrer Zigarette.

"Das war bei genauso", stimmte Miriam zu. "Ein bisschen vermisse ich meine Birkis aber trotzdem, wollen wir wieder tauschen?" "Können wir machen", antwortete Sabine und streifte die Zehentrenner ab. "Ich hol mir bei Gelegenheit selber welche." "Echt jetzt?!", staunte Miriam und schüttelte die Holzsandalen ihrer Freundin vom Fuß. "Meine Chefin hat heute übrigens geschrieben, dass es ihr besser geht und sie morgen wieder arbeiten kann. Außerdem hat sie mir morgen Nachmittag frei gegeben", ergänzte sie.

"Ich arbeite morgen auch nur vormittags. Wollen wir nach der Arbeit zusammen bummeln gehen?", schlug Sabine vor. "Schuhe shoppen geht doch immer, außerdem wollte ich mal beim Optiker vorbei", fügte sie hinzu. "Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich neue Gläser brauche." Miriam, die noch keine Pläne gemacht hatte, stimmte zu. "Kriegt man so Schuhe wie Deine auch irgendwo in der Nähe?", fragte sie zaghaft.

Die beiden Frauen ließen sich ihr Essen schmecken und plauderten noch ein wenig. Dabei gönnte sich Sabine noch zwei Zigaretten, bot ihrer Freundin aber keine mehr an. Als es um das kommende Wochenende ging, kam das Gespräch noch einmal auf Marek. "Wir wollen am Samstag erst ins Theater und dann tanzen gehen", schwärmte Sabine. Miriam freute sich mit ihr und war gleichzeitig ein wenig traurig, dass sie bei Jakob weniger Glück gehabt hatte.

Als sich die Freundinnen wenig später verabschiedeten, ging die Sonne gerade unter. "Bis morgen", rief Miriam Sabine zu, schwang sich aufs Rad und fuhr nach Hause.


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28.02.2024 12:40
#30
de

Am Freitag war es für Miriams Füße eine wahre Wohltat, wieder in ihren geliebten Birkis zur Arbeit zu gehen. Gleichzeitig vermisste sie das Geklapper der Holzsandalen und Gefühl des Schwebens. In jedem Fall freute sie sich, dass sie wieder zu zweit im Laden waren. So blieb Miriam am Vormittag ein wenig Zeit für ihr Steckenpferd, die Kinderbücher. "Ob ein Antiquariat nur für Kinderbücher gut geht?", überlegte sie.

Ihre Chefin hielt Wort und schickte Miriam nach Hause, nachdem sie aus ihrer eigenen Mittagspause zurück war. "Genieß den Tag und danke, dass Du den Laden allein geschmissen hast", verabschiedete die Inhaberin ihre Angestellte. Gerade als Miriam aus dem Buchladen trat, kam Sabine um die Ecke. "Das Timing ist super", freute sie sich und zog Miriam als erstes zum Optiker. "Mal gucken, ob ich wirklich schlechter gucken kann", sagte Sabine, als die beiden das Geschäft betraten. "Willst Du auch mal vergleichen?" Miriam war nicht abgeneigt; gefühlt war sie sich sehr sicher, mit Brille deutlich besser zu sehen.

So fanden sich beide Frauen nacheinander vor dem Testgerät wieder. Doch im Gegensatz zu Sabine war Miriam sehr überrascht, dass sie selbst mit Brille noch lange nicht alles scharf erkennen konnte. Der Optiker bestückte das Messgestell mit den richtigen Stärken und ließ Miriam damit nach draußen schauen. "Wow, das ist echt krass", kommentierte diese ihren Seheindruck. Nach einem kurzen Blick mit ihrer aktuellen Brille und gänzlich ohne Sehhilfe bestellte auch Miriam neue Gläser.

"Jetzt kommt das Vergnügen", freute sich Sabine, als die Frauen den Laden verlassen hatten und zielstrebig das nächste Schuhgeschäft ansteuerten. Dort fand sie relativ schnell ein Paar passender Zehentrenner. "Läuft bei mir", stellte Sabine erfreut fest. "Jetzt bist Du dran, der Laden ist am Ende der Fußgängerzone", fügte sie hinzu und schob Miriam in die richtige Richtung.

Nach anfänglichem Zögern probierte die tatsächlich einige Clogs und Holzsandalen an, bevor sie sich für ein Paar mit hohen Absätzen entschied. "Wollen Sie sie gleich anbehalten?", fragte die Verkäuferin. "Warum nicht?", fragte Miriam zurück und ließ sich eine Tüte für ihre Birkenstocks geben. Sabine hingegen beließ es dieses Mal dabei, ihre Freundin zu beraten. "Beim nächsten Mal vielleicht wieder", sagte sie zur Verkäuferin.

Gut gelaunt verließen die Freundinnen das Geschäft und machten sich auf den Weg zum nächsten Eiscafe. "Wir sind zwei Klapperbrillenschlangen", stellte Sabine amüsiert fest. Auch Miriam nickte belustigt. "Also Männer, reizt uns nicht. Sonst werden wir zu Birkenstockmonstern", ergänzte sie - während ihrer Ausbildung hatte man sie in der Berufsschule mehr als einmal so tituliert.

"Jetzt ein Spaghettieis und einen Cappucchino", beschloss Sabine, nachdem die beiden im Eiscafe einen Platz auf der Terrasse ergattert hatten. "Das klingt gut", stimmte Miriam zu und bestellte das gleiche. Der Kellner genoss die Anwesenheit der jungen Frauen und flirtete ein wenig mit ihnen, als er die Bestellung aufnahm. "Erst das Eis oder erst den Cappucchino?", fragte er mit einem breiten Lächeln, wartete die Antwort der beiden ab und verschwand.

"Was guckt Ihr Euch morgen an?", wollte Miriam wissen, als die beiden wieder ungestört waren und Sabine sich eine Zigarette gönnte. "Viel Lärm um nichts", antwortete die Freundin und blies den Rauch gen Himmel. "Bei mir gibt's vermutlich ein paar Folgen von Mord mit Aussicht aus der Mediathek", skizzierte Miriam ihre Pläne für das Wochenende. "Morgen muss ich lange arbeiten und danach noch einkaufen, das reicht dann auch."

Der Kellner brachte das Eis, nachdem Sabine gerade den letzten Zug genommen und die Zigarette im Aschenbecher ausgedrückt hatte. "Super Timing", strahlte sie und stürzte sich wie ihre Freundin auf den Eisbecher. "Richtig lecker", stellte Miriam nach dem ersten Kosten fest. Genießerisch löffelte sie die Schale leer und freute sich, dass sie eine Freundin wie Sabine hatte. "Alleine Shoppen oder Eis essen ist langweilig", fügte sie hinzu und erntete zustimmende Blicke ihrer Begleiterin.

Der Cappucchino stand dem Eisbecher in nichts nach, der Kellner hatte sogar zwei Herzen in den Milchschaum gezaubert. "Ein wirklich gelungener Einkaufsbummel", sagte Sabine zufrieden, nahm einen weiteren Schluck aus ihrer Tasse und holt eine Zigarette aus der Schachtel. "Jetzt muss Dir noch der richtige über den Weg laufen, dann wäre die Welt schon ziemlich in Ordnung", fügte sie hinzu. "Ich fürchte, der muss erst noch gebacken werden", erwiderte Miriam ernüchtert. Sie sah sich einmal mehr als alte Jungfer ihr Dasein fristen.

"Sabine?", hörte sie sich kurz darauf sagen. "Krieg ich auch eine?" "Wie?", fragte die Angesprochene überrascht zurück. "Ich denke, Du rauchst nicht?" "Äh ... Also ... Eigentlich nicht", stammelte Miriam mit leiser Stimme und rotem Kopf. Ihre Freundin setzte ein feierliches Gesicht auf. "So hast auch Du Dein Päckchen zu tragen, liebe Schwester", sagte Sabine salbungsvoll. Grinsend hielt sie Miriam die Schachtel unter die Nase.

Mit spitzen Fingern holte die eine Zigarette heraus, steckte sie zwischen ihre Lippen, ließ sich Feuer geben und nahm einen vorsichtigen Zug. "Eine Schwalbe macht noch lange keinen Sommer, Sabine", entgegnete Miriam, während sich der Rauch aus ihrem Mund in der Luft verteilte.


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